Die Rolle des Werkbundes innerhalb der Reformbewegung

Der Deutsche Werkbund wurde 1907 gegründet. Er verstand sich als Teil der „neudeutschen“ Bewegung für eine kultur- und gesellschaftspolitische Neuorientierung. Der Zweck des Bundes sollte „die Veredelung der gewerblichen Arbeit“ sein. Mit einer neuen Formgebung wollte man die industrielle Fertigung und alte handwerkliche Produktionsweisen miteinander verschmelzen. Ziel war eine Gestaltung, die sowohl die neuen technischen Möglichkeiten nutzen als auch ästhetisch ansprechend und von hoher Qualität sein sollte. Die neue Ästhetik zeigte sich insbesondere in der Schlichtheit der Formen ohne dekorative Ornamente. Dieser „moderne Stil unserer Zeit“ sollte nicht nur die Industrieproduktion, sondern auch alltägliche Gebrauchsgegenstände bis hin zur Architektur prägen.

Zwei mal Zwölf in München: Gründung des Deutschen Werkbunds

Am 05. Oktober 1907 gründeten 12 Künstler und 12 Unternehmen in München den Deutschen Werkbund. Er hatte mit der 1908 errichteten Gartenstadtgesellschaft Hellerau mbH viel gemeinsam. Beide Reformverbände verstanden sich als Teil der „neudeutschen“ Bewegung, die der liberale Politiker Friedrich Naumann angestoßen hatte und die für eine kultur- und gesellschaftspolitische Neuorientierung auf der Grundlage des Sozialliberalismus stand. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten auch Richard Riemerschmid und Karl Schmidt. Da beide zentrale Akteure der Gartenstadt Hellerau waren, wird auch hier deutlich, wie eng die Gartenstadt und der Deutsche Werkbund in dieser Zeit miteinander verwoben waren. 

Die „Veredelung der gewerblichen Arbeit“

Der Zweck des Werkbundes sollte „die Veredelung der gewerblichen Arbeit“ sein. Hintergrund dieser Forderung war, dass die traditionellen handwerklichen Fähigkeiten durch die industrielle Massenfertigung verloren zu gehen drohten. Auf der anderen Seite vereinfachten die technischen Innovationen die Fertigung, so dass mehr und in kürzerer Zeit produziert werden konnte. Der Werkbund wollte also eine Antwort darauf finden, wie die industrielle Fertigung und alte handwerkliche Produktionsweisen miteinander verschmolzen werden konnten. Ziel war eine Gestaltung, die sowohl die neuen technischen Möglichkeiten nutzen als auch ästhetisch ansprechend sein sollte, so wie es beispielsweise Karl Schmidt mit seinem Maschinenmöbelprogramm umgesetzt hat. Vor allem aber zielte der Bund auch auf eine politische Vernetzung und Zusammenarbeit.

Qualität im „modernen Stil unserer Zeit“

In den zahlreichen Publikationen und Ausstellungen des Werkbundes wurde immer wieder betont, dass die Qualität des Kunstgewerbes nachgelassen habe. Diesem vermeintlichen Verfall sollte mit einer Gestaltungsweise begegnet werden, die an die Bedingungen der maschinellen Produktion angepasst war. So zeigte sich die neue Ästhetik insbesondere in der Schlichtheit der Formen ohne dekorative Ornamente. Unter dem Motto Vom Sofakissen zum Städtebau war es das Ziel, diesen „modernen Stil unserer Zeit“ im Sinne der Ideen von Hermann Muthesius nicht nur für die Industrieproduktion, sondern auch für alltägliche Gebrauchsgegenstände bis hin zur Architektur auf Dauer zu etablieren. Darüber hinaus erlaubte eine Novellierung des Urheberrechtsgesetzes es erstmals, die Entwürfe der Künstler vor Nachahmung zu schützen, wodurch sie rechtlich zu einem gleichberechtigten Partner des industriellen Herstellers geworden waren.

Die ersten Jahre

Zum ersten Geschäftsführer des Werkbunds wurde Wolf Dohrn berufen, der in den Folgejahren wesentlichen Anteil an der Planung und dem Bau der Gartenstadt Hellerau hatte. Deshalb verlegte der Deutsche Werkbund 1909 seinen Hauptsitz von München nach Dresden und kurz darauf nach Hellerau. Ein Jahr später gab Wolf Dohrn seine leitende Funktion im Werkbund ab, um sich ausschließlich seinem Lieblingsprojekt zu widmen, der Planung des künftigen Festspielhauses. Sein Nachfolger wurde der von 1910 bis 1914 in Hellerau wohnende Reiseschriftsteller und Publizist Alfons Paquet. Mit der Berufung von Ernst Jäckh zum Geschäftsführer des Werkbundes wurde 1914 der Geschäftssitz nach Berlin verlegt. Damit trennte sich der Werkbund nicht nur organisatorisch, sondern auch ideell von der Gartenstadt Hellerau und wurde zu einer zunehmend international orientierten Organisation.